Mobile Menu Icon
Mobile Tel Icon
E.R.O.S. auf FacebookE.R.O.S. auf Youtube
E.R.O.S. auf FacebookE.R.O.S. auf Youtube

Mag. Barbara Zuschnig:   +43 660 44 35 665
Mag. Beatrix Roidinger:   +43 660 46 26 777

Offene Beziehungen und Polyamorie Teil 4 Regeln und Kommunikation
17. November 2019
Kommunikation ist die Grundlage für jede Beziehung. Polyamore Beziehungen benötigen besondere Regeln.
Liebe und Zugewandtheit benötigen Kommunikation.

Paare in polyamoren und offenen Partnerschaften, welche ihre Beziehungen ehrlich, liebevoll und beständig gestalten, leben in Zugewandtheit und Rücksichtnahme. Regeln und Kommunikation sind dabei wesentliche Hilfsmittel.

Zugewandtheit und Zuneigung

Gerade am Beginn ihrer gemeinsamen Reise zu einer polyamorösen Beziehungsform verlieren sich viele Partner aus den Augen und geben sich zu wenig Aufmerksamkeit und Zuneigung. Die Erlebnisse mit dem Neuen oder der Neuen sind verständlicherweise aufregender als das Gewohnte. Ihr Partner oder Ihre Partnerin muss sich aber sicher in der Beziehung fühlen und jene Zuneigung spüren, die Ihre Beziehung zu etwas Besonderem macht, damit er oder sie Ihnen die Freiheit für neue Erfahrung geben kann.

Aktive Wertschätzung

Sagen Sie Ihrem Partner daher häufiger als gewöhnlich, dass Sie ihn lieben und wie wichtig er in Ihrem Leben ist. Schenken Sie ihm liebevolle Aufmerksamkeiten und suchen Sie alltägliche Berührungen. Diese aktive Wertschätzung und Zuneigung ist eine wichtige Rückversicherung, dass Ihre Beziehung nicht gefährdet ist und sie beständig miteinander verbunden sind. Falls die Klage über fehlende Aufmerksamkeit eines Ihrer Beziehungsthemen ist, dann sollten Sie in diesem Punkt besonders achtsam sein.

Treue

Der Begriff Treue erfährt in offenen und polyamorösen Beziehungsformen eine neue Bedeutung. Hier bedeutet Treue, dass die getroffenen Vereinbarungen bindend sind. Alle Partner dürfen sich darauf verlassen, dass gemeinsame Regeln nicht gebrochen werden. Das hört sich leichter an, als es ist. Vielleicht haben Sie mit Ihrem Primärpartner gewisse Rituale oder Gemeinsamkeiten, die Sie mit niemanden teilen möchten, weil daraus Ihre Intimität entsteht. Wenn nun Ihr Sekundärpartner genau dasselbe für sich fordert, besteht die Gefahr, dass Sie  Vereinbarungen brechen. Dies geschieht oft schneller, als Sie möchten. Dadurch ist die Treue zu Ihrem Partner gefährdet. In polyamorösen Beziehungen bedeutet Treue also, darauf vertrauen zu können, dass Regeln und Vereinbarungen eingehalten werden, damit sich niemand zurückgestoßen und verletzt fühlt. Alle in der Beziehung sind verantwortlich für das Wohlergehen der anderen.

Grenzen setzen und auf die Geschwindigkeit der Entwicklung achten

Sie haben immer das Recht, Stopp zu sagen, auch wenn andere Vereinbarungen getroffen wurden. Es kann sein, dass Sie in bestimmten Phasen merken, dass Ihre persönlichen Grenzen überschritten wurden und Sie Situationen nicht mehr ertragen. Dann sagen Sie Stopp. Das ist der erste Schritt. Erst wenn Sie Ihre Grenzen respektieren, können die anderen Sie hören. Grenzen können sich auf die Ausgestaltung der Beziehung beziehen, z. B. die Anzahl und Wechsel der Partner oder die Häufigkeit der Begegnungen. Können Sie außer Haus übernachten oder in den Urlaub fahren?

Die Grenzen können sich aber auch auf Ihr persönliches Erleben beziehen. Wie gehen Sie damit um, wenn Ihr Partner oder Ihre Partnerin zum ersten Mal mit jemand anderes Sex hat? Wie fühlt es sich an, wenn Ihrem Wunsch nach Sex zu Dritt nicht nachgekommen wird? Es ist essentiell für das Gelingen einer polyamorösen Beziehung, darauf zu achten, dass sich diese in einer Geschwindigkeit entwickeln kann, in der sich alle Beteiligten wohlfühlen. Langsamkeit und Achtsamkeit sind wesentlich, damit die Idee nicht an den eigenen Idealen scheitert.

Wahrhaftig sein und die Wahrheit sagen

Die Wahrheit zu sagen meint in diesem Fall, wahrhaftig zu sich sich selbst und zu den eigenen Gefühlen zu sein. Wir sehen in dieser Wahrhaftigkeit einen wesentlichen Anteil für das Gelingen einer polyamorösen Beziehung. Verlustängste, Eifersucht, Selbstzweifel und Zorn können jederzeit unverhofft auftreten. Wenn Sie in diesen Momenten schweigen, dann helfen Sie niemanden. Sprechen Sie über die ambivalenten Gefühle und zeigen Sie ehrlich, wie es Ihnen im Moment geht. Diese Ehrlichkeit hilft dem anderen, Sie zu verstehen.

emotionale Verletzungen zeigen

Jeder wird sich in Ihrem Beziehungsgefüge einmal traurig oder verletzt fühlen. Wenn Sie zeigen, dass Gefühle immer wieder eine Herausforderung sein können, dann ermutigen Sie alle Beteiligten, sich zu öffnen. Schwierige Gefühle sind zwar in dem Moment schlecht, in dem man sie erlebt. Hier liegt aber ein enormes Entwicklungspotential für das Reifen der Beziehungen. Wenn Sie gütig und verständnisvoll auf den anderen zugehen, dann tauchen Sie tiefer in Verbindung und lernen, sich besser zu verstehen. 

Offenheit und Entwicklung fördern

Polyamore Experten und Praktiker sind sich einig, dass eine polyamore Beziehung nur dann funktionieren kann, wenn alle Beteiligten offen zueinander sind. Das bedeutet nicht, dass Sie jedes einzelne Detail mit Ihrem Partner besprechen müssen. Dennoch sollten Sie gegenseitig im Bilde sein, mit wem der Partner Freundschaften pflegt, mit wem er Intimität teilt und was ihm in der jeweiligen Beziehung wichtig ist. Genau in dieser Offenheit liegt nämlich der Unterschied zu Menschen, die ihren Partner betrügen oder die aus Selbstschutz und zum Schutz des anderen überhaupt nicht kommunizieren. Auch wenn letzteres für eine gewisse Zeit funktionieren kann, hat dies nichts mit Polyamorie zu tun. 

Seien Sie nachsichtig mit sich selbst und anderen

Wenn Menschen in eine intime Beziehung miteinander treten, dann tauchen immer starke Gefühle auf. Sehr häufig denkt man, dass man sich selber kennt. Und dennoch können Dinge geschehen, die einen völlig überraschen und die man noch nicht erlebt hat. In polyamorösen Beziehungen kommen Paare häufiger an ihre Grenzen und verhalten sich falsch. Wenn Sie dies erleben, dann sind Sie zuallererst dazu aufgefordert, nachsichtig mit sich selbst zu sein. Setzen Sie sich nicht unter Druck, alles richtig machen zu wollen, sondern investieren Sie stattdessen Zeit und Aufmerksamkeit in Gelegenheiten, offen miteinander zu sprechen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Jedes Problem und jeder Fehler ist eine Chance, dass Ihre Beziehungen wachsen und stabil werden können.

Planen Sie, bleiben Sie aber flexibel

Die meisten Menschen leben in einem engen Zeitkorsett aus Beruf, Hobbys und Freundeskreis. Zeit ist deshalb ein wichtiger Faktor, der auch Wert ausdrückt, den Sie jemanden geben wollen. Eine gemeinsame Planung und Absprachen sind wichtig, damit sich jede/r wertgeschätzt fühlt. Für ein funktionierendes gemeinsames Gefüge ist es aber auch wichtig, flexibel zu bleiben. Wenn jemand durch eine schwierige Phase geht, dann sollten Sie gegenseitig darauf eingehen können und Absprachen anpassen können, also den Partner gezielt unterstützen. Polyamore Beziehungen sind keine Unternehmen, in denen alles durchgezogen werden sollte, egal, wie es den Beteiligten geht. Unterstützen Sie einander und nehmen Sie Rücksicht auf den Partner. Auch Sie werden einmal die Warmherzigkeit und Empathie des Anderen brauchen.

Kommunikation und Integrität

Die Komponente, die alle bisher beschriebenen Punkte zusammenhält, heißt Kommunikation. Was verstehen wir darunter? Lernen Sie, zuzuhören: Häufig misslingt ein Gespräch, weil man dem Gegenüber nicht zuhört. Öffnen Sie Ihren Geist und Ihr Herz mit dem Vorsatz, so viel wie möglich vom anderen verstehen zu wollen. Wie kann dies gelingen? 

Hier zwei effektive Tipps: 

1) Vereinbaren Sie eine gewisse Redezeit, in der der andere nicht unterbrochen wird. Der Redner oder die Rednerin bekommt dadurch den Raum, ohne Hast und Gegenwehr über sich zu sprechen. Bevor Sie antworten, stellen Sie Fragen. Dadurch bekommen Sie Klarheit und ein differenziertes Bild.

2) Wenn Sie antworten, sprechen Sie über das, was Sie gehört haben und was es bei Ihnen auslöst. Auf diese Weise entsteht ein Dialog, der nicht von spekulativen Vorwürfen und vorgefertigten Meinungen geprägt ist, sondern auf die Aussagen des Gegenübers eingeht.

Kommunikation ist ein schwieriger und von Untiefen durchzogener Bereich. Sie können die Basis für eine gelungene Kommunikation jedoch üben und lernen. Wir empfehlen hier zwei Methoden: Den kontrollierten Dialog und das Modell der gewaltfreien Kommunikation. In unseren Beratungen sehen wir, dass Menschen, die diese Formen der Kommunikation beherrschen, eine bessere Voraussetzung haben, Probleme in ihren Beziehungen anzusprechen und sie zu verändern.

Integrität

Damit Ihre polyamore Beziehung langfristig funktioniert und alle Beteiligten glücklich sind, bedarf es einer hohen Integrität. Stehen Sie zu Ihrem Wort und halten Sie, was Sie versprechen. Dabei geht es nicht nur um Kleinigkeiten im Alltag, sondern auch um große Versprechen, die Sie sich gegenseitig gegeben haben. Wenn Sie zu Ihrem Partner gesagt haben, dass Sie bis an den Rest des Lebens mit ihm zusammen bleiben möchten, dann halten Sie sich auch daran. Das heißt nicht, dass es nicht vorkommen kann, dass Sie sich während all der Jahre neu verlieben. Genießen Sie die Aufregung und die Schmetterlinge im Bauch, aber vergessen Sie über all den Endorphinen nicht Ihren primären Partner. Lassen Sie das neue Glück in Ihre bestehenden Partnerschaften einfließen, sodass alle Beteiligten von dem frischen Wind partizipieren können. 

Wie Polyamorie gelingen kann:

  • Seien Sie ehrlich zu allen Beteiligten
    Wenn Sie eine dauerhafte polyamore Beziehung führen möchten, müssen alle involvierten Menschen ehrlich miteinander kommunizieren. Setzen Sie sich damit auseinander, mit welchen Menschen Ihr Partner oder Ihre Partnerin Sex hat oder intime Freundschaften pflegt.
  • Treffen Sie gemeinsame Entscheidungen
    Bei wichtigen Entscheidungen sollten Sie stets Ihren Primärpartner mit einbeziehen. Nur so entsteht eine vertrauensvolle Beziehung, in der Sie sich aufeinander verlassen können und sich nicht gegenseitig vor den Kopf stoßen. Stellen Sie den Partner nicht vor vollendete Tatsachen, sondern reden Sie im Vorfeld darüber, was Sie vorhaben.
  • Unterstützen Sie den oder die Partner/in
    Eine polyamore Beziehung bietet viel Raum für Wachstum. Es ist ganz normal, dass Gefühle wie Eifersucht oder Verlustangst entstehen. Zeigen Sie dafür Verständnis und verurteilen Sie Ihren Partner nicht dafür. Es ist wichtig, dass Sie als Paar füreinander sorgen und sich gegenseitig unterstützen.
  • Treffen Sie klare Vereinbarungen
    Damit sind keine starren Regeln gemeint, die den Partner aus Verlustangst einengen oder begrenzen. Aber gerade am Anfang einer Öffnung ist es wichtig, dass Sie sich darüber klar werden, wie Ihre Bedürfnisse aussehen. Vielleicht gibt es zu diesem frühen Zeitpunkt noch Grenzen, die Sie nicht überschreiten möchten. Je klarer Sie formulieren, was Sie brauchen und sich wünschen, desto zufriedener sind Sie in Ihrer Beziehung. 
  • Reden Sie auch über schwierige Gefühle
    Fressen Sie Eifersucht, Neid oder Verlustangst nicht in sich hinein, sondern teilen Sie Ihrem Partner mit, was in Ihnen vorgeht. Wichtig ist dabei, in einer klaren Ich-Perspektive zu sprechen und dem Partner keine Vorwürfe zu machen. Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihre Gefühle, aber teilen Sie sich mit. Sie werden sehen, dass durch diese Öffnung eine große Nähe und Verbundenheit entsteht. 
  • Setzen Sie Grenzen und halten Sie sich daran
    Seien Sie sich über Ihre eigenen Grenzen im Klaren und kommunizieren Sie diese. Opfern Sie sich nicht für Ihre Partnerschaft auf, nur damit es Ihrem Gegenüber gut geht. Grenzen helfen Ihnen dabei, in Ihren Entscheidungen frei zu sein. Regeln hingegen üben Macht auf die Entscheidungen des Partners aus.
  • Seien Sie integer
    Dazu gehört, dass Sie Dinge einhalten, die Sie zugesagt haben. Nur, wenn Sie sich gegenseitig aufeinander verlassen können, können Sie sich auch vertrauen. 
  • Öffnen Sie sich nicht für jeden
    Bevor Sie sich auf eine Sekundärbeziehung einlassen, sollten Sie mit Ihrem Partner besprechen, welche Werte Ihnen wichtig sind. Alle Beteiligten müssen genau wissen, in welcher Rolle sie in der Beziehung sind. Wichtig ist, dass potentielle Sekundärpartner einen polyamorösen Hintergrund mitbringen, damit keine Probleme entstehen. So wäre es zum Beispiel nicht integer, wenn sich ein Partner für jemanden entscheidet, der in einer monogamen Beziehung steckt und seinen Partner oder seine Partnerin betrügt.
  • Seien Sie solidarisch
    Wann immer es Ihnen möglich ist, sollten Sie den Kontakt zu den anderen Menschen im Leben Ihres Partners suchen. Es ist besser, die Person mit all ihren Stärken und Schwächen kennenzulernen, als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was für ein toller Mensch - und somit welche Bedrohung - das wohl sein mag. Es kann gut sein, dass Sie die Person sogar mögen. Mit einem solidarischen Verhalten entlasten Sie zudem Ihren Partner und tragen einen großen Schritt dazu bei, dass Ihre gemeinsame Liebe wächst und die polyamore Beziehung funktioniert.

Fazit

Damit eine polyamore Beziehung funktioniert, ist es wichtig, dass alle Beteiligten um den oder die anderen Partner wissen. Natürlich ist auch Konsens entscheidend. Das bedeutet, dass sich alle freiwillig auf diese besondere Beziehungsform eingelassen haben. Nicht zuletzt muss eine gewisse Perspektive gegeben sein, das heißt, alle Menschen, die involviert sind, dürfen wachsen und sich weiter entwickeln. Wenn eine polyamore Beziehung gelingen soll, bedarf es einer hohen Kommunikationsbereitschaft und der Fähigkeit, Konflikte zu lösen. Sie müssen bereit sein, beständig an Ihrer Partnerschaft zu arbeiten und sich immer wieder selbst zu reflektieren. Wenn Sie den Mut haben, Ihre Beziehung zu öffnen, werden Sie sich in einem hohen Maße weiterentwickeln. 

Lesen Sie weiter zu Offene Beziehungen und Polyamorie:
Teil 1: Definition und Spezifika
Teil 2: Wie kann das Öffnen einen Beziehung gelingen?
Teil 3: Eifersucht

Auch in unserem Buch schreiben wir über Polyamorie und nicht-monogame Bezeihungsformen.
"SEXPOSITIV - Intimität und Beziehung neu verhandelt" (2021)
Buch hier kaufen